Bienenkorbflechten
Von der Vergangenheit inspiriert...
10/2022
Man kommt als Imker nicht darum herum, sich mit der Geschichte der Bienen und der Imkerei zu beschäftigen. So ist der Besuch eines Museums geradezu ein Muss.
Faszinierend war für uns vor Jahren die Vereinsexkursion in das Bienenmuseum Weimar. Dort sind viele historische Bienenbehausungen und Imkerhilfsgeräte ausgestellt. Während es heute neben den Hobbyimkern auch Großimkereien, also Berufsimker gibt, so ergänzte die Imkerei früher oft die Tierhaltung zur Selbstversorgung. In Weimar sind verschiedene Bienenwohnungen zu bestaunen: Bienenkörbe, Stülper genannt, Klotzbeuten und Figurenbeuten. Sie sind teilweise aus Holz geschnitzt, teilweise auch aus Stroh oder Weide geflochten. Figurenbeuten wurden oft farbenfroh gestaltet und sollten in ihrer Form als Heilige, Wächter oder Bären auch Diebe abhalten.

Ursprünglich ließ man die Bienen in ihrer Wohnung frei bauen. Aus allen Beuten, in denen die Bienen frei bauen können, müssen die Waben zur Honigernte entnommen und ausgepresst werden. Sind danach für den Stock unbrauchbar, können aber noch als Grundlage für Bienenwachsprodukte dienen.
Heute geben wir Rähmchen in die Beuten, die die Bienen ausbauen und zum Brüten, sowie zum Honig einlagern nutzen. Diese Rähmchen kann man entnehmen, den Honig ausschleudern und anschließend wieder zurück in den Stock geben.
Wenn ein Volk bei hohem Nektarangebot zu stark geworden ist, zieht es sich eine neue Königin heran. Kurz bevor diese schlüpft, verlässt die alte Königin mit einem großen Teil des Volkes ihren Stock. Sie schwärmt aus, schafft Platz und sucht sich eine neue Behausung. Für unsere Betriebsweise stellt jeder Schwarm, den wir nicht einfangen können, einen Verlust dar. Es gibt das Sprichwort: „Wenn ein Volk schwärmt, liegt es am Imker.“ Wir können durch regelmäßige Kontrolle und durch Erweitern den Völkern Raum geben und Schwärme verhindern.
Mich interessiert nun besonders die Imkerei in geflochtenen Strohkörben. Diese Stohstülper haben keine einheitlich Form und unterscheiden sich von Region zu Region.
Ihre Gemeinsamkeit ist, dass man dem Volk im Korb nicht mehr Raum geben kann. Darum unterbinden die Korbimker den "Schwarmtrieb" nicht, sondern nutzen ihn. Sie harren während der Schwarmzeit an ihrem Bienenstand aus, während sie neue Körbe flechten. So passen sie die Schwärme ab und besetzen mit jedem gefangenen Schwarm wieder einen neuen Korb.
Die Korbimkerei im großen Stil wäre für uns heute ein erheblicher, nicht praktikabler, Aufwand.
Aber, es ist eine alte Form der Imkerei, die gerade in der Heide, auf Grund der besonderen Honigkonsistenz, perfektioniert wurde. Eine Verfahrensweise, die leider in Vergessenheit zu geraten droht. Wer hat noch Zeit und Material, um Körbe zu flechten und vor den Völkern auszuharren. Ein berufstätiger Hobbyimker kann das nicht und die großen Heideimkereien mit ihren erfahrenen Imkern werden immer weniger, auch wenn neue Beutenformen dabei Anwendung finden. Aber, was nützt dies, wenn, wie in diesem trocken Sommer, die Heide keinen Nektar geliefert hat, gebietsweise vertrocknet oder dem Feuer zum Opfer gefallen ist. Mit Korbbeuten kann man, egal in welcher Region damit gearbeitet wird, nicht einfach Wanderimkerei betreiben, um eine ergiebigere Gegend aufzusuchen.
Mir hat es der sogenannte Lüneburger Stülper angetan, der, wie der Name es sagt, in der Heideimkerei genutzt wurde und wird. Ich will mehr wissen. Wie nahe kommt Korbimkerei der natürlichen Behausung im hohlen Baum? Wie können Bienen in einem Korb überwintern, reicht der begrenze Raum für das Futter, reicht ihre Heizleistung zum Überleben? Kann so eine Strohwand wirklich gut dämmen? Das würden wir gern einmal selber beobachten, nicht darauf umstellen, aber ein "Lernvolk" haben. Dazu braucht man einen Bienenkorb und woher bekommt man den?
Gut, dass unsere Vereinschefin weiß, wie ein Korb geflochten wird, ja aus ähnlicher Neugier bereits ein Exemplar erschaffen hat. Sie regte für Interessierte des Vereins 2021 eine Flechtaktion an. Klingt einfach, ist aber kompliziert. Man benötigt zunächst langes Roggenstroh, das mit der Sense gemäht wurde. Andere Strohsorten eigenen sich nicht. Welcher Bauer baut noch langhalmigen Roggen an, der naturbelassen ist und mäht diesen für uns mit der Sense? Wenn Einer oder Eine Einen kennt und der kennt wieder Einen und dieser Eine ist willig oder hat eine Idee, dann funktioniert das.
Erster Termin also, Imker zusammentrommeln und mit einem Autoanhänger Stroh auf dem Feld des Einen abholen. Man braucht Garben, wie bindet man die? Wie stark müssen diese sein und wie viele davon benötigt man pro Korb? Ist das zu viel, was wir haben oder ist es eher zu wenig? Laien mit Unwissen, gutem Willen und Bauchgefühl machen einfach und hoffen…
Zweiter Termin: Ein Interessent hat ein Scheune, Platz zum mäusesicheren Einlagern und stellt sein Grundstück für die Strohreinigungsaktion zu Verfügung. Wir waren im Urlaub, als unverwüstliche Imker bei Sonnenglut schwitzen, die Halme von unnötigen Blättern und Ähren befreiten. Soll mühsam, aber lustig gewesen sein, da als Anleitung nur ein YouTube Video aus dem sechziger Jahren zur Verfügung stand. Dritter Termin: Wir fanden uns im September wieder zusammen, eine erfahrene Korbflechterin unterstützt unsere Vereinschefin. Das Stroh wurde in einer alten Zinkbadewanne eingeweicht und dann ging es los. Zum Glück mussten wir die Weide zum Binden nicht selber schneiden und spalten. Fertiges Material aus dem Handel lag zum Erwerb bereit. Als Hilfsmittel benötigte jeder eine Ahle oder einen dafür spitz geschliffenen Schraubendreher und einen Serviettenring oder Ähnliches. Selbst die mit Handarbeit vertraute Imkerin, war am Anfang ebenso hilflos wie die diesbezüglich ungeübten Männer der Runde. Aller Anfang ist schwer, das bewahrheitete sich wieder. Verzweifeln, kämpfen, lachen, wir waren einen ganzen Samstag zusammen und nahmen halbfertige Körbe, Restmaterial und gute Vorsätze mit nach Hause.
Jetzt gab es zwei Möglichkeiten, erst einmal wegräumen und bald alles vergessen haben. Oder den angefangenen Korb so hinstellen, dass jeder Tag eine Mahnung ist, weiter daran zu arbeiten. Die Mahnung war hilfreich. Es kostete noch einige Nachmittage und mein Exemplar war fertig, vorerst. Er diente über den Winter als hübscher Dekoartikel, denn so war der Korb als Bienenwohnung noch nicht geeignet. Zur Weiterbearbeitung musste ich mich noch bis zum Frühjahr gedulden. Der Korb benötigt als Außenschutz einen Anstrich mit sogenannter „Maibutter“. Dieses poetisch beschönigende Wort bezeichnet das saftig grüne Abfallprodukt einer weidenden Kuh, die das erste Grün des Jahres verdaut hat. Gut, dass es im Nachbardorf einen Hof mit glücklichen Kühen gibt. Die imkerfreundliche Hofherrin ermöglichte mit kurzer Stromabschaltung meinen Ernteausflug mit Eimer und Schaufel auf die Weide. Der Korb wurde 2x damit bestrichen und trocknete an einem luftigen schattigen Platz.
Und dann? Dann hatte mein Mann eine Bienenkönigin übrig und setzte sie mit 700 g Bienen als Kunstschwarm in den Korb. Vorher hatte ich noch einige Ruten, als Bauhilfen quer eingezogen. Den Korb platzierten wir regengeschützt unter dem Vordach der Gartenlaube. Seitdem laufen unsere Beobachtungen. Der Korb wurde immer schwerer, der Flugbetrieb immer stärker. Jetzt ist es ein starkes Volk, das den Korb ausfüllt. Da es klein anfangen musste, als die anderen Völker schon stark waren, haben wir ihnen nach Ende der letzten Tracht, noch etwas Futter dazu gegeben.
Die Fragen bleiben. Wie wird es die blütenfreie Zeit überstehen? Was bringt das neue Jahr? Was, wenn es schwärmt? Ich habe noch etwas Stroh, soll ich vorbeugend noch einen Korb flechten oder bekommt der zu erwartende Schwarm im Frühjahr einfach wieder eine herkömmlich Beute? Werden sich im Korb auch andere Nützlinge einfinden oder werden in den letzten Herbsttagen die Wespen eindringen und ihn platt machen? Das Experiment läuft, wir brauchen Geduld.
Sollten Sie auch neugierig geworden sein.
Vielleicht interessieren Sie die beiden kurzen YouTube Videos, denen wir hilfreiche Ratschläge entnahmen. Das Alte aus den sechziger Jahren über das Flechten einer solchen Beute und eines, dass die Behandlung des Rohlings mit „Maibutter“ zeigt. Wir sind einfach nur gespannt. Ich verspreche mich zu melden, wenn es neue Erkenntnisse gibt.
Ute Oelschläger (Erschienen im Heft 1/2023 der Parthenpost Borsdorf)